Kritiken


"Herbst der Untertanen" im Theater Nestroyhof Hamakom: Dieses kurze Kammerspiel in der Inszenierung von Michael Gruner bewegt.

 

Von traurigen Umständen, von Terror und Verrat handelt "Herbst der Untertanen", ein Drama der in Hamburg lebenden Georgierin Nino Haratischwili. Traurig waren auch die Umstände bei der österreichischen Erstaufführung im Theater Nestroyhof Hamakom. Mehrfach hatte man die Premiere verschoben. Nach Fertigstellung der Inszenierung starb im Oktober 2021 Regisseur Michael Gruner, ein Urgestein neueren deutschen Schauspiels. Er hatte bereits 1968 in Frankfurt am Main bei der Uraufführung von "Publikumsbeschimpfung" mitgewirkt.

 

Im Nestroyhof war Gruner gern gesehener Gast und stand zuweilen auch selbst auf der Bühne. Nach der Aufführung am Dienstag in Wien hatten nicht nur die Schauspielerinnen Tränen in den Augen. Im langen Schlussapplaus legte Intendantin Ingrid Lang eine rote Rose für Gruner auf die Bühne. Ein berührender Abschied.

 

Zuvor gab es ein zu Herzen gehendes Spiel. Haratischwili, die 2014 mit ihrem dritten Roman - "Das achte Leben (Für Brilka)" - berühmt wurde, ist auch im Theater eine Wucht. Gruner hat die surreal anmutenden Szenen kunstvoll einfach, fast naturalistisch gestaltet. Alina Ammann liefert das passende Bühnenbild: Stühle, Tische, Pflanzen, im Nebenraum angedeutet die Küche, auch der Balkon wird einmal genutzt.

 

Das Drama spielt in einer burgartigen Villa. Draußen vor der Tür tobt der Bürgerkrieg, man hört Gewehrsalven, aber die Angreifer bleiben abwesend. Unheimlich. Die Herrschaften (der mächtige General und seine Frau) sind längst verschwunden, so wie die meisten ihrer Angestellten. Nur drei Frauen halten die Stellung. Bald setzt unter diesen Erniedrigten und Beleidigten ein brutaler Machtkampf ein.

 

Christine Dorner gibt mit kalter Leidenschaft die herrschsüchtige alte Köchin Rina, die so tut, als ob die Besitzer jeden Moment zurückkämen. Stets wird für sie aufgetischt. Das Gesinde kriegt nur Essen zweiter Wahl. So werden nach und nach die Vorräte in einer anhaltenden Isolation verbraucht. Rina kommandiert vor allem die junge Aushilfskraft Luci herum.

 

Tonia Fechter spielt diese traumatisierte Geflüchtete voll Sensibilität und mit fast antiker Tragik, wenn das Schicksal ihrer Familie offenbar wird.

 

Bei der Haushälterin Kaela fällt es der Köchin nicht so leicht, sie zu dominieren. Die leistet Widerstand, versucht immer wieder, Luci auf ihre Seite zu ziehen. Sie hat ebenfalls Schreckliches erlebt. Katharina Schumacher agiert als Kaela vielschichtig - gemein, berechnend, fahrig. Autorität untergrabend. Eine tolle Szene, die das zeigt, spielt auf dem Balkon. Die Haushälterin hat Luci überredet, dass sie Abendkleider der Hausherrin anziehen. Für Momente wirken die Frauen befreit.

 

Prompt folgt die Abrechnung in dieser provisorischen Herrschaft der Untertanen. Rina verrät Schreckliches, das ihre Konkurrentin erlebt hat. Deren Nervenzusammenbruch und ihr Gegenschlag wirken glaubwürdig. Rina hat ebenfalls schwere Schuld auf sich geladen und tiefes Leid erfahren. Längst weiß man: Aus diesem Geisterhaus, in solch bleierner Zeit, die gar nicht so weit weg ist, wie man im gemütlichen Wien meinen könnte, kommt niemand unverletzt davon."

 

 

DIE PRESSE (Norbert Mayer), 19. Januar 2022, Wien

 

 


"NINO HARATISCHWILIS "HERBST DER UNTERTANEN": KEIN ENTRINNEN AUS DER ENDSPIEL-HÖLLE.

Erstaufführung eines Stücks von Nino Haratischwili im Nestroyhof: Michael Gruner hinterließ eine packende Inszenierung.

 

Martin Kušej wollte schon längst am Burgtheater "Geschlossene Gesellschaft" von Jean-Paul Sartre herausgebracht haben - als Kommentar zu Covid-19. In einem Monat soll nun tatsächlich Premiere sein, sofern die Pandemie es zulässt, allerdings mit Tobias Moretti statt Klaus Maria Brandauer.

Der Nestroyhof Hamakom zeigt derweilen - ebenfalls mit großer Verspätung - als österreichische Erstaufführung ein ähnlich gelagertes Stück: Auch in "Herbst der Untertanen" der georgischen Schriftstellerin Nino Haratischwili, 1983 geboren, machen sich drei Menschen das Leben zur Hölle.

 

Draußen tobt ein Bürgerkrieg: Der General und seine Frau sind verschwunden, in der Residenz harren nur die Köchin Rina, die Haushälterin Kaela und die junge Aushilfe Luci aus. Ein "Endspiel" hat begonnen: Rina lässt jeden Tag aufkochen, weil der General doch wieder kommen könnte. Herrisch, höhnisch lachend, mit blitzenden Augen regiert sie über die anderen - und Christine Dorner, 1948 in Graz geboren, macht das bravourös.

 

Katharina Schumacher revoltiert als Kaela gegen das Festhalten der alten Ordnung: Sie liefert sich mit der gebückten, aber zähen Alten ein brutales, existenzielles Psychodrama. Man bohrt genüsslich in biografischen Wunden, macht sich gegenseitig fertig.

Zwischen den Fronten verzweifelt die Luci der Tonia Fechter. Aber auch für sie, das Flüchtlingskind, gibt es kein Entrinnen.

 

Als Bühnenbild reicht die Innenarchitektur des Nestroyhofes mit seiner Balustrade. Die schnörkellose, packende Inszenierung ist so etwas wie ein Vermächtnis:

Regisseur Michael Gruner - er war ein exzellenter Schauspieler - starb in der Nacht auf den 20. Oktober."

 

KURIER (Thomas Trenkler), 19.Januar 2022, Wien

 

 


"[...] Gruner, Experte für psychologische Tiefenbohrung, entfaltet ein Machtspiel um Befehlsgewalt, Erniedrigung und Menschenwürde.

[...] Und während Gruner mit Tonia Fechters Lucy die Ambivalenz von Abscheu und Empathie auslotet, gehen die Gegnerinnen Rina und Kaela wie Kampfhündinnen aufeinander los.

[...] Gruner dreht permanent stärker an der Schraube. Anfangs noch subtile Nebenbemerkungen werden bald offen auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Er treibt seine Schauspielerinnen Christine Dorner, Katharina Schumacher und Tonia Fechter zum Äußersten, hetzt Rina, Kaela und Lucy wieder und wieder aufeinander los. In extremen Zeiten, sagt Gruner, ist gegenseitige Zerfleischung wahrscheinlich "menschlicher" als Zusammenhalt."

 

MOTTINGERS - MEINUNG, 19. Januar 2022, Wien


"[...] Ja, und das Sams ist eben ein Sams, wie es jeder Generation von vom Leben ermatteter Menschenkinder im Nacken sitzen sollte: Naiv. Neugierig. Pfiffig. Couragiert. Freundlich. Ein unangepasster Anstifter mit einem Hang zu begnadeter Gebrauchslyrik.

Tonia Fechter verkörpert dieses quicklebendige Wesen mit spielerischer Leichtigkeit und sorgt damit für so viel Luftzug, dass die anderen Darsteller sich in verschiedenen Rollen drehen und wenden, dass es eine Freude ist."

 

 

 MAIN POST (Siggi Seuß), 25.11.18


"Tonia Fechter gibt ein formidables Sams."

 

                                                                                                                                 DONAUKURIER, 26.11.18


 

"Es wäre ein Fehler gewesen, die Hauptrolle nicht mit Tonia Fechter zu besetzen. Sie spielt die Zwölfjährige mit einer derartigen Beweglichkeit, Spontaneität und bezwingendem Zugriff, dass die Altersfrage sich sehr schnell erledigt: Man sieht auf der Bühne genau das, was man sehen soll: eine Zwölfjährige. 

Wobei Tonia Fechter die ganze Palette der kindlichen Emotionen perfekt beherrscht: dieses Leben für den Moment, die Enttäuschung und Verzweiflung, wenn es nicht so läuft, wie sie sich das wünscht, die spontane Freude, wenn einmal etwas klappt, die Resignation, dass sie von ihren Eltern nicht als Person wahr genommen wird, sondern nur der Vorwand für ihren eigenen Streit ist, die Öffnung ihren Großeltern gegenüber, die sie ernst nehmen - insbesondere der Großvater, der für sie zum Motivationsmotor wird. Jede Beziehung, sei es zu den Psychologen oder Lehrerinnen, ist genau analysiert und gestaltet."

 

                                                                                                                                        Saale-Zeitung, 03.05.17


"[...] Die junge Schauspielerin Tonia Fechter spielt die zwölfjährige Anna mit so viel kindlichem Charme und Energie, mit funkelnden Augen und einer zarten, verletzlichen Seite, dass ihre Rolle und damit das ganze Stück absolut glaubwürdig werden."

 

                                                                                                                                     MAIN POST, 23.04.17